Zum Träumen schön

Tim Allhoff – „Silence Is Something you can actually hear“

von Frank Becker

  Cover: Maximilian König
Zum Träumen schön
 
Balsam für Gemüt und Seele
 
Das Musik-Jahr ist bei weitem noch nicht zu Ende, doch die Musenblätter küren mit Tim Allhoffs Album „Silence Is Something you can actually hear“ schon jetzt ihre Schallplatte des Jahres.
In meinem Kritiker-Leben hatte ich beim Hören von Musik bisher nur einmal aus tiefem Herzen kommende Tränen der Rührung in den Augen, das war im Jahr 2002 bei einem Konzert von Markus Stockhausen mit den Bergischen Sinfonikern. Nun ist mir das zum zweiten Mal passiert, eben mit dem Pianisten Tim Allhoff und seinem aktuellen neuen Album. Allhoff hat nach dem gelobten Vorgänger „Sixteen Pieces for Piano“ in einem virtuosen Grenzgang klassische Versatzstücke, Jazz und Volkstümliches, dazu eigene Kompositionen – insgesamt 15 Titel - zu einer dem Gemüt schmeichelnden brillanten Abfolge musikalischer Wohltaten arrangiert und zusammengefügt.
 
Eröffnet wird dieser traumhafte Reigen hinreißender Melodien mit Edvard Griegs Arietta für Klavier und Streichquartett in der gefühlvollsten Interpretation, die ich je hören durfte. Fast schwebend Allhoffs Hände auf der Klaviatur, wie aus himmlischem Blau kommend die Vienna Morphing Soloists mit zartesten Trillern, ein sanftes Bad in zauberhaften Klängen, die aus einer besseren Welt zu kommen scheinen. Von gleicher Sanftheit und Balsam für Ohr und Seele ist der Kanon von Tim Allhoff, den er mit dem SIGNUM saxophone quartet zelebriert. Mit abermals Grieg und der aus der Tiefe der Seele kommenden Elegie aus „Lyrische Stücke“ setzt sich die Perlenschnur solistisch fort. Auch Prisma hat Tim Allhoff komponiert und nahtlos zwischen Grieg und Henry Purcell gefügt. Purcells Dido's lament erhebt sich unter Allhoffs Händen mit Streichquartett-Begleitung zu beeindruckender milder Größe.
 
Allhoff erweist auch der populären Musikkultur des 20. Jahrhundert Reverenz. Mit Theo Mackebens wundervollem Schlummerlied und George Gershwins I loves you, porgy aus „Porgy and Bess“ belegt er die Gültigkeit derer neben Grieg, Purcell, Domenico Scarlattis Aria und J.S. Bachs unsterblichem Air aus der Orchestersuite Nr. 3 für Klavier, das nach dem Neverending Epilog Allhoffs für Klavier und Cello solistisch den traumschönen Abschluß dieses außergewöhnlichen Albums macht.
Ein Album, dessen Anhören schlichtweg nicht gestört werden darf und bei dem Eintretende mit dem Zeigefinger vor den Lippen um Schweigen gebeten werden - Enjoy the silence, um es mit Martin Gore zu formulieren. Berührend, zum Träumen schön. Von dem Musenblättern mit unserem besonderen Prädikat, dem Musenkuß* (mit Sternchen) belohnt und unsere Schallplatte des Jahres.
 
Tim Allhoff – „Silence Is Something you can actually hear“
© 2023 Neue Meister / Edel Music (CD)
Tim Allhoff (Klavier), Vienna Morphing Soloists, SIGNUM saxophone quartet
Mit Werken von: Tim Allhoff (geb. 1980) , Edvard Grieg (1843-1907) , Henry Purcell (1659-1695) , Martin Gore (geb. 1961) , Theo Mackeben (1897-1953) , Sibylle Baier (geb. 1955) , George Gershwin (1898-1937) , Johann Abraham Peter Schulz (1747-1800) , Domenico Scarlatti (1685-1757) , Johann Sebastian Bach (1685-1750)
 
1. Arietta (Edvard Grieg / Tim Allhoff: Arietta für Klavier & Streichquartett nach Griegs lyrischem Stück op. 12 Nr. 1) - 2. Kanon (Tim Allhoff, für Klavier & Saxophonquartett) - 3. Lyric pieces (Edvard Grieg: Elegie aus „Lyrische Stücke“ op. 38 für Klavier) - 4. Prisma (Tim Allhoff, für Klavier & Streichquartett) - 5. Dido's lament (Henry Purcell / Tim Allhoff: Dido's Lament für Klavier & Streichquartett) - 6. Enjoy the silence (Martin Gore, Version für Klavier & Streichquartett) - 7. Nich yaka misyachna (Ukrainian Folksong, Fassung für Klavier) - 8. Schlummerlied (Theo Mackeben / Tim Allhoff  für Klavier & Streichquartett) - 9. I lost something in the hills (Sibylle Baier, für Klavier & Streichquartett) - 10. I loves you, porgy (George Gershwin / Tim Allhoff ) - 11. Der Mond ist aufgegangen (Johann Abraham Peter Schulz / Tim Allhoff: für Klavier, Cello & Saxophon)
- 12. Sonata in D minor (Domenico Scarlatti: Aria aus der Klaviersonate K. 32) - 13. Neverending - 14. Neverending Epilog (Tim Allhoff, Epilog für Cello & Klavier) - 15. Air (Johann Sebastian Bach / Tim Allhoff: Air aus der Orchestersuite Nr. 3 für Klavier)
Gesamtzeit: 52:46